Wettelswalde

Historisches zur Wettelswalder Kirche

Historisches zur Wettelswalder Kirche

Auszüge aus einem Vortrag von Klaus Köhler

Unsere romanische Chorturmkirche ist bereits in der ersten Hälfte des 12. Jhd. erbaut worden und damit eine der ältesten des ostthüringischen Raumes.
Über die Zeit vor der Reformation ist uns wenig bekannt. Die Filiale Wettelswalde gehörte zur Parochie Nöbdenitz, wurde aber 1533 kurz nach der Reformation zur Parochie Thonhausen geschlagen und wird seitdem mit ihrem Beidorf Schönhaide geistlich vom Pfarramt Thonhausen betreut. Von den katholischen Priestern aus früherer Zeit ist uns keiner bekannt. Der letzte derselben und gleichzeitig erste evangelische Pfarrer nach der Reformation war Johannes Bergmann.

Die romanische Kirche erfuhr im Laufe der fast 900 Jahre allerlei Veränderungen. So fanden uns bekannt gewordene größere Reparaturen in folgenden Jahren statt: 1745, 1790-95, 1799, 1823, 1826-28, 1879 und 1930.

1826 wurden zum Beispiel der heute noch sichtbare Eingang an der Südseite geschlossen und der neue Eingang an der Westseite mit Kirchentürenwänden aus Pölziger Stein und die neue Kirchhallentür geschaffen.
1793 wurde eine neue Orgel von Hoforgelbauer Christian Gottlob Donati aus Altenburg für 220 Taler in der Wettelswalder Kirche eingebaut. Sie musste vor einigen Jahrzehnten vor dem Verfall gerettet werden und erklingt heute in der Kirche zu Weißbach.
Die letzten beiden Glocken wurden 1875 von der Firma Ulrich aus Apolda gegossen. Leider wurde 1917 im Ersten Weltkrieg eine der beiden Bronzeglocken vom Turm geholt und sinnlos zu Kriegsmunition umgeschmolzen.
Am 05. Februar 1738 flog bei einem Trauerläuten der Klöppel aus einer alten Glocke heraus und fiel dem Wettelswalder Christoph Bachmann so verletzend auf den Kopf, dass derselbe nach einigen Tagen starb.
Der Friedhof, früher Gottesacker genannt, wurde 1827 angelegt und 1867 noch einmal vergrößert, wobei auch eine neue Leichenhalle gebaut wurde.

Die spektakulärste Rettung unserer Kirche begann 1985.
Seit den 30er Jahren wurde an der denkmalgeschützten Kirche keine Reparatur mehr durchgeführt. Das Schieferdach verfiel immer mehr. Eine um 1962 geplante Dachdeckung scheiterte am Streit zwischen dem damaligen Pfarrer und dem Dachdeckermeister. Schließlich wurde die Kirche 1975 baupolizeilich gesperrt, von der Denkmalliste gestrichen und 1980 zum Abbruch freigegeben. Vom Schiff wurden das Dach, der Dachstuhl und die Hälfte der Nordmauer abgerissen. Der Anblick war beschämend. Später wurden die bunten Bleiglasfenster gestohlen.

Dann im Oktober 1985 fand die historische Beratung zwischen Pfarrer Michael Wohlfarth, Rolf Beer und mir (Klaus Köhler) zur Rettung unserer Kirche statt. Wegen dieses ausgebrüteten Vorhabens erklärten uns die meisten Dorfbewohner für völlig verrückt. Es wurden Fragen aufgeworfen: woher nehmen wir das Geld, ein großes Gerüst, das Baumaterial, die Handwerker ohne Kapazitätszuweisung? Doch nach dem Motto „Geht nicht, gibt`s nicht!“ packten wir es an, ohne Kenntnis der folgenden Schwierigkeiten.
Im November 1985 wurde der 36 m hohe, sich neigende Turm eingerüstet, mit Eisenträgern stabilisiert, dann Sparren und Schalung repariert und im eiskalten Winter das Schieferdach neu eingedeckt.

         

Wir organisierten vielseitige Unterstützung durch unsere Dorfbewohner, durch Bürger aus Schönhaide und Thonhausen, von der benachbarten Werkstatt der LPG und vor allem vom Illinger Posaunenchor. Seit 1982 pflegten die Kirchgemeinden Thonhausen und Illingen bei Pforzheim intensive partnerschaftliche Beziehungen. Von Beginn an unterstützten uns die Mitglieder des Illinger Posaunenchores unter Führung von Herrn Hans Bauer selbstlos mit finanziellen Sammlungen und körperlichem Einsatz, z.B. bei der Beschaffung des Blattgoldes für die Turmuhr oder des Schiefers aus Lehesten, der einen theoretischen Umweg über Illingen nahm (Westexport). Weitere Unterstützung erhielten wir durch die Illinger beim Einbau der begehbaren Zwischendecke und des Fußbodens, bei der Elektroinstallation sowie der Automatisierung der Turmuhr und der Läutetechnik.

    
Juni 1996, Einbau des Fußbodens zusammen mit Mitgliedern des Illinger Posaunenchores
und Posaunenkonzert im Anschluss

Die gesamte Rettung liest sich heute wie ein Abenteuerroman. So viel musste improvisiert werden. Ein kleines Beispiel: Es war zunächst unmöglich, für das Kirchenschiff einen Dachstuhl zu bekommen. Ein findiger Bauleiter der damaligen PGH „Aufbau“ erkannte, dass der Dachstuhl des in der DDR gängigen Eigenheimtyps EW 65 auf das Schiff passen könnte. Ein Ehepaar aus Meerane hatte sich während des Baus ihres halbfertigen Eigenheimes getrennt. So kamen wir an diesen Dachstuhl, der mit zwei Dachbindern verlängert wurde und auch dieses Problem war gelöst.

Am 08. Juni 1989 ließ sich der Oberkonservator Hähle von der Denkmalpflege Dresden zu der Feststellung hinreißen: „Der Wiederaufbau dieser Kirche ist das größte Spektakulum unserer vier Bezirke!“. Das Denkmalschild wurde wieder an der Kirche angebracht.

Im Juni 1996 konnte die Kirche mit der Trauerfeier für Frau Beer erstmals wieder genutzt werden. Seitdem fanden darin die unterschiedlichsten Veranstaltungen statt.


20.08.2006, Festgottesdienst zum Jubiläum
825 Jahre Wettelswalde

Im Jahr 2006 erhielt die Kirche einen neuen Außenanstrich. 2020 wurde im Kirchenschiff und Altarraum der Sockel neu verputzt.

Noch ein Kuriosum zum Abschluss: In vermutlich der einzigen Kirche der DDR wurde jahrzehntelang einem alten Brauch folgend stets nach Abschluss der Getreideernte und unmittelbar nach Heimkehr der Mähdrescherkolonne von Rolf Beer, der einen Notaufstieg zum Turm benutzte, acht Minuten lang die Glocke geläutet. Zum Dank an Gott für die eingebrachte Ernte.


Den hier in Auszügen abgedruckten Vortrag hielt
Klaus Köhler am 10.09.2017 zum Tag des offenen Denkmals

 

 

 

 

Posted by Wettelswalde in Thonhausen, Vollmershain, Wettelswalde