Jubilate 2020 (II) – Joh. 15,1-8
Liebe Gemeinde!
„So bin ich Jesus ohne dich“. So der Titel eines tollen Kinderliedes:
Der Hit in der Christenlehre seit einigen Jahren, seit August auch in der Thonhausener Grundschule, wo ich die Klasen 3+4 zu unterrichten habe. Momentan wegen des Ausnahmezustands nicht, vermutlich erst wieder im neuen Schuljahr, falls in den Schulen wieder Normalität einkehren sein sollte. Doch nicht mit „So bin ich Jesus ohne dich“ beginnt das Lied, sondern mit Strophe 1:
„So wie Pommes ohne Ketchup,
wie ein Schlauchboot ohne Luft,
so wie Sommer ohne Sonne,
so wie Joghurt ohne Frucht.“
Und noch der letzte Vers:
„Wie ein Auto ohne Räder,
wie ein Streichholz ohne Kopf,
wie ein Birnbaum ohne Birnen,
wie ein Chefkoch ohne Topf.“
Die Kinder singen die letzte Strophe aber anders und zwar so:
„Wie ein Auto ohne Räder,
wie ein Streichholz ohne Topf,
wie ein Birnbaum ohne Birnen,
wie ein Chefkoch ohne Kopf.“
Und das mit dem „Chefkoch ohne Kopf“ schreien die Kinder dann immer richtig raus. Doch zwischen den Strophen immer der Refrain und der geht so:
„So bin ich Jesus ohne dich,
so bin ich Jesus ohne dich.“
Es gibt einfach Dinge, die gehören zusammen. Und das gilt auch für den christlichen Glauben, der ohne Jesus nur eine Hülle ohne Inhalt ist. Nichts anderes sagt Jesus:
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Deshalb: Bleibt in mir und ich in euch!“
Das gilt auch im Ausnahmezustand einer Pandemie, in der Selbstverständlichkeiten keine Selbstverständlichkeiten mehr sind:
Es gilt uns Christen, die wir uns sich nicht mehr wie gewohnt und derzeit nur unter Auflagen treffen dürfen.
Es gilt den Kindern, die ihre Eltern oder Großeltern nicht mehr sehen und sprechen können.
Es gilt denen, die nicht mehr besucht werden dürfen, weil der Zutritt in Krankenhäuser und Heime untersagt ist.
Es gilt denen, deren wirtschaftliche Grundlage weg zu brechen droht, weil das Geschäft pleite ist oder die Arbeitslosigkeit droht.
Es gilt der Risikogruppe. Und das sind nicht nur die Alten.
„Bleibt in mir und ich in euch!“
Das gilt in guten Tagen, das gilt in der Ausnahmesituation einer Pandemie.
„Bleibt in mir!“ Denn ich habe den Tod besiegt!
„Bleibt in mir!“ Denn ich habe euch lieb!
7mal kommt das Wort “Bleiben” in unserem PT vor. Klingt ja erst einmal überhaupt nicht spektakulär, weil “Bleiben” doch eine Sache ist, die scheinbar alles so lässt, wie es nun einmal ist.
Aber auch das Bleiben kann Veränderung bewirken. Jeden Tag lese ich es, jeden Tag sehe ich es auf dem Bildschirm meines Computers in den unterschiedlichsten Varianten. Zuletzt:
„Zuhause bleiben – zusammen gegen Corona!“
Bleiben oder auch Bleibenlassen, weil das auch mal sinnvoll sein kann.
Und das “Bleiben in Jesus” steht sogar noch unter der Verheißung, “Frucht zu bringen”. Ein Versprechen, das Jesus uns auch heute gibt.
Dass wir mit ihm und an ihm eben kein fruchtloses und nutzloses Leben führen, sondern ein Leben, das erfüllt ist mit Gottes guten Gaben und Möglichkeiten.
Ein Leben ohne Angst, das aber nicht leichtfertig ist.
Ein Leben, das mit einer gesunden Portion an Zuversicht nach vorne schaut, weil da doch der ist, der den Tod besiegt hat.
Ein Leben, das nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen in den Blick nimmt.
Jesu Worte, letztlich eine Einladung, mit ihm Gemeinschaft zu haben. Und diese Einladung steht selbst dann noch, wenn ich Jesus in meinem Leben aus dem Blick verlieren sollte.
Irgendwer hat mal gesagt, „für Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle“.
Ich sag es heute so: Für Gott gibt es auch keine hoffnungslosen Situationen!
Im Bild unseres Gleichnisses gesprochen: Es ist doch alles andere als Jesu Wille, dass die Welt den Bach runter geht oder wir zu dürrem Holz werden und dann im Feuer landen. Nein!
“Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Aber ohne mich könnt ihr nichts tun!”
Klar, kann ich den ganzen Tag was ohne Jesus tun, aber eben nichts, was in Jesu Sinn “Frucht hervorbringt”.
Aber geht das überhaupt, dass eine Rebe den Weinstock einfach so verlassen kann, ich mich quasi von Jesus selbst abschneiden kann?
Ist die Rebe nicht mit dem Weinstock verwachsen und hängt halt da, wo sie hängt?
Das Bleiben an Jesus nicht letztlich doch eine passive Sache, die von mir überhaupt nichts verlangt?
Nein, unser “Bleiben” an Jesus ist kein Nichtstun, sondern ein Festhalten an Jesus, das aus ihm all das empfängt, was für unser Leben nötig ist.
Letztlich der Segen Gottes, der in mir offene Kanäle finden will, damit er mein Leben gestalten und verändern kann.
Kein moralischer oder religiöser Kraftakt meinerseits, schon gar kein Befehl, sondern eine Einladung Jesu, “alles” von ihm zu erwarten und dann von ihm zu empfangen! Und das ist eben ein gewaltiger Unterschied!
Ich denke, darum geht’s! Ich in Jesus, er in mir.
Das nicht nur im Gottesdienst, sondern das auch in der Ausnahmesituation einer Pandemie.
Doch damit sind wir auch bei der entscheidenden Frage des Glaubens:
Wollen wir mit Gott leben, wollen wir mit ihm in eine Beziehung treten, die geprägt ist von Nähe und Gemeinschaft?
Oder doch lieber die religiöse Schiene, die Gott immer mal was gibt, damit wir von ihm auch was erwarten können?
Anders gefragt: Könnte es so sein, dass wir Gott vielleicht nicht um seiner selbst willen lieben, sondern nur seine guten Gaben abschöpfen wollen?
Was lieber: Gott oder das, was wir von ihm erwarten?
„Herr, ich glaube an dich, bin sogar heute hier mit Schutzmaske, ich gebe mir doch Mühe mit den Geboten und außerdem zahle ich mein Kirchgeld.
Aber ich möchte auch, was ich von dir brauche: Ungeschoren durch die Pandemie kommen. Deinen Segen, wieder ein gutes und normales Leben. Sorge bitteschön dafür, dass es klappt mit Arbeit und Familie, sorge bitteschön dafür, dass ich mich auch nach der Pandemie meiner Gesundheit erfreuen kann und, und, und…“
Doch Gott ist kein Weihnachtsmann und er ist auch nicht der alte Mann mit weißem Bart, der zu allem Ja und Amen sagt, auch wenn wir das gerne hätten.
Sondern Gott bleibt immer noch Gott. Und er in unserem PT der “Weingärtner”, dem der Weinberg mit allem Drum und Dran gehört und der seine Arbeit tut:
Der im Winter fast alle Reben wegschneidet, so dass das meiste vom schönen Weinstock am Boden liegt. Und die wenigen Reben, die er am Weinstock lässt, die kürzt er ein und verbiegt sie sogar manchmal. Und im Sommer, wenn sich die Trauben schon zu färben beginnen, kommt der Weingärtner noch mal mit seiner Schere und schneidet noch so manche Rebe und so manche Trauben weg. Aber das macht er natürlich nicht, um seine Ernte zu ruinieren, sondern um einen optimalen Ertrag zu erzielen.
Vielleicht eine mögliche Antwort auf so manches Schwere im Leben:
Gott, der mich hin und wieder auch mal mit seiner Rebschere behandelt, aber das doch nicht um mir weh zu tun, sondern um mich zu kultivieren, damit ich mehr Früchte bringe?
Vielleicht auch eine mögliche Antwort auf die gegenwärtige Situation:
Unser Herr, der seiner Kirche einen Knüppel zwischen die Beine wirft, damit die sich vielleicht mal wieder mehr auf das besinnt, was ihr eigentlicher Grund und ihre Aufgabe ist.
„Was hat der sich da oben dabei nur gedacht?“ So die Frage eines Mannes aus einem unserer Dörfer an mich, der mir beim Radfahren begegnete.
Und heraus kam: Nachdenken. Sich auf das Wesentliche besinnen. Auf das, was trägt, was hält, was Mut in dieser bedrohlichen Zeit gibt. Letztlich der Glaube an Jesus, an den, der sagt:
„Bleibt in mir und ich in euch!“ Denn wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht!”
Amen.
EG 406,1-4 “Bei dir Jesu will ich bleiben”